Queer Britain, das erste LGBTQIA+ Museum im Vereinigten Königreich

Seit Jahr und Tag wird queere Geschichte verheimlicht, getilgt und versteckt. Wenn überhaupt, ist sie nur schwer aufzuspüren. Zwar bietet das Internet LGBTQIA+ Geschichten mittlerweile Raum, aber kulturelle Institutionen, Museen und Bildungseinrichtungen sind immer noch Mangelware. Queer Britain, das erste LGBTQIA+ Museum im Vereinigten Königreich, ist ein Versuch, das zu ändern.

Das im Mai 2022 im Londoner Bezirk King’s Cross eröffnete Museum ist das geistige Kind von Joseph Galliano. Während seiner Tätigkeit für das queere Magazin Gay Times Mitte der 2000er-Jahre wurde ihm bewusst, dass viele LGBTQIA+ Menschen kaum etwas über queere Geschichte wussten. Die Idee schlummerte über ein ganzes Jahrzehnt in ihm. Galliano bemerkte, wie sich der britische Kultursektor langsam, aber sicher wandelte; so wurde 2017 Queer British Art in der Tate Britain ausgestellt und die Bewegung Queering the Museum betrachtete Sammlungen im Victoria and Albert Museum sowie im British Museum aus LGBTQIA+ Sicht. 

„Ich hatte Angst, dass es weitere 50 Jahre dauern würde, bis etwas passiert, wenn nicht jetzt jemand dafür sorgt, dass die Energie nicht wieder verschwindet“, erklärt Galliano. „Wir wollten außerdem etwas auf die Beine stellen, mit dem Transmenschen, Frauen, People of Colour und Menschen mit Behinderungen – ein viel breiteres und vielfältigeres Spektrum unserer Gesellschaft – sich selbst aus neuen Blickwinkeln betrachten konnten und gehört werden.“

Zusammen mit Ian Mehrtens, diversen Kurator*innen, zahllosen Ehrenamtlichen und großzügigen Spender*innen ließ Galliano in den letzten fünf Jahren den Traum zur Wirklichkeit werden. Trotz der begrenzten Räumlichkeiten ist die Erfahrung mehr als intensiv. Im Rahmen der Sonderausstellung zur Eröffnung wurden LGBTQIA+ Rechte im Vereinigten Königreich auf einer fotografischen Zeitleiste und Portraits ausgewählter queerer Familien präsentiert.

We Are Queer Britain, die nächste Ausstellung, die diese Woche startete, soll laut Galliano ein wahres Fest an historischen Objekten, Artefakten und noch nie Gezeigtem sein. „Wir verweisen dabei auch auf die Ausstellung Queer British Art zurück, in der wir die Zellentür von Oscar Wilde im Gefängnis in Reading präsentieren. Außerdem werden Dokumente aus unserer Community über Aktivismus, Gesellschaftshistorie, rechtliche Änderungen und Soziales zu sehen sein. Wir machen viel auf so kleinem Raum.“ 

Lisa Power, eine der Kurator*innen, hat ihr Leben dem Kampf um LGBTQIA+ Rechte im Vereinigten Königreich gewidmet und beharrte laut eigenen Angaben darauf, dass das Museum queere Geschichten aus dem ganzen Land ausstellt. „Ich lebe in Wales, und für mich war klar, dass es um das ganze Vereinigte Königreich gehen muss, nicht nur um London“, merkt sie an. „Außerdem sollten wir die queeren Personen feiern, die aus der ganzen Welt – oft auf der Flucht vor Verfolgung – in unser Land gekommen sind und hier eine Familie gefunden haben.“

2022 ist LGBTQIA+ präsenter denn je geworden und der Erfolg einer Einrichtung wie Queer Britain untermauert dies. Angesichts der Zunahme an Hassverbrechen gegen LGBTQIA+ und Urteilen wie Don’t Say Gay in Florida ist in diesem Zusammenhang jedoch immer noch Wachsamkeit angesagt. „Wir reagieren darauf, indem wir hier sind und im Rahmen unserer Möglichkeiten auf Inklusion bestehen“, führt Galliano aus.

Galliano war sich allerdings nicht der emotionalen Folgen bewusst. „Es gab Leute, die beim Reinkommen in Tränen ausbrachen. Das ist diese Idee, gesehen zu werden. Das war für manche Menschen sehr berührend“, so Galliano.

Power ergänzt: „Ich hoffe, dass die Menschen auf diese Weise den Wert ihrer Geschichte erkennen. Ich hoffe, dass Teenager, egal wo sie sich outen, ihre Eltern hierher mitbringen, um ihnen zu zeigen, wer wir – und sie – sind.“

Alim Kheraj ist freiberuflicher Autor und Betreiber des Podcasts „Queer Spaces“. Sein erstes Buch, „Queer London“, ist ein Leitfaden für LGBTQIA+ in London früher und heute.