Lavinya Stennett: Die Pionierin, die schwarze Geschichte auf den britischen Bildungsplan setzt
Im November 2020 interviewte ich Lavinya Stennett, die Gründerin von The Black Curriculum, das erste Mal zu ihrer Mission, das britische Bildungswesen umzugestalten. In dem Jahr gab es viele Tiefpunkte – die Nachwirkungen von George Floyds Tod inmitten einer Pandemie – und Hochpunkte – sie war gerade auf einer bahnbrechenden Titelseite der britischen Vogue zu sehen. In unserem Gespräch ging es sehr viel um die Bedeutung von Erholung für Aktivist*innen. Gerade in einem Jahr, das für Schwarze auf der ganzen Welt „emotional aufreibend“ gewesen war, sei dieser Aspekt besonders relevant. Trotzdem war Stennetts Haltung optimistisch und fröhlich. Spulen wir zwei Jahre vor: Sie ist noch immer dieselbe freundliche, humorvolle, detailorientierte Person, die große Träume hat, die Welt zu verändern: „Ich werde erst Ruhe geben, wenn alle Zugang zu Bildung haben.“
The Black Curriculum (TBC) setzt sich dafür ein, dass schwarze britische Geschichte überall im Vereinigten Königreich ganzheitlich unterrichtet wird. Stennett gründete TBC 2019 nach einer Reise nach Neuseeland, wo ihr bewusst wurde, dass genau wie die Geschichte der indigenen Völker dort, „schwarze Geschichte im Vereinigten Königreich vollkommen vernachlässigt wird“. Ein kürzlich erschienener Bericht besagt, dass nur 11 % der Schüler*innen in der Sekundarstufe über schwarze britische Geschichte lernen. Ohne ausreichendes Wissen wachsen junge Leute sehr schnell mit der Annahme auf, dass Schwarze nicht Teil der britischen Geschichte sind. TBC betont auf seiner Website: „Wenn jungen Menschen nichts über ihre Geschichte gelehrt wird, ... hat es eine negative Auswirkung auf ihren Sinn für Identität und Zugehörigkeit.“ Aus diesem Grund veranstaltet die Organisation Workshops in Schulen, bietet Beratungen zu Lehrplänen und Schulungsprogramme für Lehrer*innen an, um die schwarze britische Geschichte an Schulen im gesamten Vereinigten Königreich etwas mehr in den Vordergrund zu rücken.
Im Zuge der Wiedergeburt der „Black Lives Matter“-Bewegung im Jahr 2020, erfreute sich TBC großer Popularität. Doch laut Stennett gibt es noch sehr viel zu tun. Bisher hat die britische Regierung eine Zusammenarbeit mit TBC abgelehnt, da sie der Meinung ist, dass der Bildungsplan bereits vielfältig genug sei. Die anhaltenden Kulturkampfdebatten über Rasse und Imperium zeigen jedoch deutlich, dass Ängste gegenüber einer ‚woke‘ (wachsamen) Politik eine Rolle spielen.
Dennoch versucht Stennett, alle politischen Lager zu erreichen. „Wir müssen uns damit auseinandersetzen ... wir entscheiden, was wir sagen. Gewisse Ausdrücke, wie etwa ‚entkolonialisieren‘, verwenden wir nicht, weil sie viele Leute triggern, die es einfach nicht verstehen. Wir suchen nach Ausdrücken, die erklären, was wir tun.“ Und sie hat Pläne, die über das Vereinigte Königreich hinausgehen. „Es ist unheimlich wichtig, dass wir die Inhalte innerhalb der schwarzen Geschichte auf Teile Europas, die Karibik und Amerika ausweiten. Es ist an der Zeit, dass TBC global agiert.“
Seun Matiluko ist eine britische Autorin und Wissenschaftlerin auf den Gebieten Recht, Rasse und Politik. Sie hat Beiträge für gal-dem, The Independent und Glamour geschrieben und ist aktuell Frank Knox Memorial Fellow an der Harvard Law School in Massachusetts, USA.
