Königinnen der Aromen: Wie Schwarze Frauen die Weinindustrie verändern
Der Dokumentarfilm Somm aus dem Jahr 2012 begleitete vier Personen bei ihren Versuchen, die berüchtigt schwierige Prüfung zum Master-Sommelier zu bestehen. Die Doku bot einen spannenden Einblick in die anspruchsvolle Welt der Sommeliers, den Expert*innen für Wein und dessen Kombination mit Speisen. Es war eine Welt, die von weißen Männern dominiert wurde. Heute, mehr als 10 Jahre später, üben Menschen verschiedenster Hautfarben und Hintergründe diesen Beruf aus. Schwarze Sommelières wie Tonya Pitts, Chef-Sommelière des Restaurants One Market in San Francisco, und Larissa Dubose, Leiterin Getränke beim US-Einzelhändler Paradies Lagardère, zählen zu den Vorreiterinnen dieser Entwicklung.
Ein kurzer Blick auf die „The Future 40 Tastemakers and Innovators of 2022” des Magazins Wine Enthusiast ist vielsagend – portraitiert werden Vertreter*innen verschiedenster Ethnien, Geschlechter und Altersgruppen. Eine erfrischende Entwicklung, die aber noch in den Kinderschuhen steckt: Laut dem Online-Personalvermittler Zippia sind 68 % der Sommeliers männlich und nur 11 % Schwarz.
Dubose führt die historisch gewachsene fehlende Diversität auf eine Reihe geografischer, finanzieller und sozialer Faktoren zurück. „Denken Sie an die Ursprünge des Weinanbaus”, erklärt sie. „Wein stammt aus der Zeit der Römer, wenn nicht sogar noch früher, und wurde lange Zeit nur in Frankreich, Italien und Spanien produziert.” Dubose stellt fest, dass sie, wie andere junge Schwarze Amerikanerinnen auch, nur wenig Berührung mit Wein hatte, als sie aufwuchs. „Wenn wir in unserer Gemeinde mit Wein in Berührung kamen, dann war er in der Regel im Tetra Pak und hieß Riunite”, fügt sie schmunzelnd an. Ihr Einstieg in die Branche vor 13 Jahren verlief daher auf Umwegen. Sie begann als Pharmavertreterin, bevor sie Barkeeperin wurde, dann in den Weinvertrieb wechselte – und schließlich zur zertifizierten Sommelière aufstieg.
Weinkenner zu sein, erklärt Dubose, „ist ein Hobby, für das man Zeit und Geld braucht. Schwarze Amerikaner*innen verfügen über eine geschätzte Kaufkraft von 1,6 Billionen Dollar – wir haben also das Geld, aber wir hatten nicht immer den Zugang dazu.” Pitts, die 2022 von Wine Enthusiast zum „Wine Sommelier Of The Year” auserkoren wurde, fügt hinzu: „Ursprünglich waren Sommelier-Zertifizierungen eine europäische Erfindung und fanden in Amerika wenig Beachtung”. Auch das könnte zur mangelnden Diversität in diesem Berufsbild beigetragen haben. Beide Frauen sind sich einig, dass diese Zertifizierungen nicht unbedingt nötig sind, um als Sommelier erfolgreich zu sein. Mit der Zeit kann man die notwendigen Fähigkeiten auch im Beruf entwickeln – trotzdem sind Zertifizierungen hilfreich. „Die Zertifizierung ermöglicht es Schwarzen Frauen und anderen BIPOC-Personen, einen Fuß in die Tür zu bekommen und sich für eine Stelle zu empfehlen”, ist Dubose überzeugt.
Sowohl Pitts als auch Dubose sind der Meinung, dass Mentoring ein Schlüsselfaktor für mehr Diversität ist. Als Dubose anfing, war Julia Coney, eine Legende in der Welt der Schwarzen Sommeliers, ihre Mentorin. Coney ist für ihren offenen Brief an die Weinautorin Karen MacNeil bekannt, in dem sie schilderte, wie schwierig es war, nicht nur ein weiblicher Sommelier zu sein, sondern auch eine Schwarze Sommelière. „Heute lege ich Wert darauf, nie einen Raum zu betreten, ohne einen anderen jungen, Schwarzen Profi dabei zu haben”, sagt Dubose.
Pitts glaubt, dass eben dieses Berufsethos entscheidend für Veränderungen ist. „Als ich vor 30 Jahren anfing, sah man in Restaurants weder Schwarze Frauen noch Vertreter*innen anderer Ethnien. BIPOC-Personen standen immer im Hintergrund, wo sie Tische abräumten, Essen kochten oder abspülten.” Aus diesem Grund widmet sich Pitts der Ausbildung von Menschen, die sich für den Beruf des Sommeliers interessieren – unabhängig von Ethnie, Alter oder Geschlecht – und die einfach mehr über Wein lernen möchten. Beide Frauen unterstützen aktiv Coneys Black Wine Professionals, eine Talentschmiede für Schwarze Profi-Sommeliers, bei der Dubose als Ausbildungsleiterin tätig ist. Dubose betreibt außerdem The Lotus & The Vines, eine Initiative zur Neuausrichtung der Weinkultur durch leichtere Zugänglichkeit. Pitts hingegen bietet einen privaten Service für Weinproben und -mischungen an, um die nächste Generation von Weinprofis zu unterstützen.
Doch der Weg ist noch weit. „Bis heute gibt es keinen Schwarzen, weiblichen Master-Sommelier, obwohl mehrere kurz davor stehen”, sagt Dubose. „Die Weinindustrie ist wie ein großes Schiff: Es braucht viel Zeit zum Manövrieren – aber es dreht sich doch.”
Folge diesen fünf Schwarzen Sommelières:
Jamie Brooks Robertson ist eine in London ansässige Schriftstellerin, unabhängige Wissenschaftlerin und aufstrebende Essayistin mit Fokus auf die Themen Gesundheit und Kultur.
