Die Tradition des „Sunday Best“: Eine Erklärung
Während der Hochphase der Sklaverei in Amerika waren der Sonntagsgottesdienst und zwei Garnituren Kleidung oft die einzigen Freiheiten, die der versklavten schwarzen Community gewährt wurden. Dabei war eine Garnitur ausschließlich für die Kirche bestimmt – der Sonntagsstaat oder „Sunday Best“. Und während viele ihre Kleidung als Zeichen der Ehrfurcht vor Gott betrachteten, war es für andere ein Anlass, sich in ihrem besten Aufzug zu präsentieren, richtig stilvoll – eben das Beste, was sie zu bieten hatten. Diese Tradition wurde über Generationen hinweg in der Black Community auf der ganzen Welt weitergegeben und hat auch heute noch Auswirkungen auf Kunst und Kultur.
„Die Kirche war ein Rettungsanker für die schwarze Community in einer Zeit, in der sie sonst nichts hatte,“ erzählt uns Karen Binns, Creative Director und Stylistin aus New York. Aber die Überzeugung, dass man sich am Sonntag von seiner besten Seite zu zeigen hatte, ging weit über das schwarze Amerika hinaus. Die Kuratorin der V&A Africa Fashion Exhibition, Dr Christine Checinska, ist afrikanisch-karibischer Herkunft und im Vereinigten Königreich aufgewachsen. Sie meint dazu: „Sunday Best war ein Teil des wöchentlichen Lebens, als ich aufgewachsen bin – die Kleidung musste gewaschen und gebügelt werden, die Schuhe mussten geputzt und die Haare ordentlich frisiert sein.“
Omoyemi Akerele, Gründerin und CEO der Lagos Fashion Week und von Style House Files, berichtet von einer ähnlichen Erfahrung und erklärt, dass dieses Sonntagsritual in Nigeria die Grenzen von Klasse oder wirtschaftlicher Macht überschritt. „Die Menschen lebten ihr Leben sehr bewusst – und eine natürliche Erweiterung davon ist es, sich durch die Kleidung auszudrücken. Sie versuchten, sich immer von ihrer besten Seite zu zeigen, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen.“
Heute ist ein Konzept, das aus einer traumatischen Geschichte hervorgegangen ist, das ein Weg war, den Stolz der schwarzen Community zu unterstreichen und dem Klischee der ungepflegten Schwarzen entgegenzuwirken, zu einer Quelle der Inspiration geworden, die viele kreative Köpfe bewegt. Der Designer Christopher John Rogers machte seine SS19-Kollektion zur Hommage an die extravaganten Aufzüge, die er in den Gottesdiensten in seiner Kindheit in Louisiana erlebt hatte. In ihrer Sammlung (Always) Wear Your Best On A Sunday untersucht die südafrikanische Fotografin Alice Mann die Beziehung zwischen Mode und Andacht in der schwarzen Diaspora. Die in London lebende Fotografin Katie Waggett hält in ihrem Buch Sunday Best ebenfalls die kulturellen Codes von Kleidung und Religion fest. Und Aida Amoakos Buch As We See It, das sich mit dem Konzept des schwarzen Blicks in Fotografie und Kunst befasst, zeigt unter anderem Bilder von Dario Calmese von Lana Turner, einem prominenten Mitglied der historischen Abyssinian Baptist Church in Harlem.
Für die Black Community ist Sunday Best jedoch nicht mehr auf die Kirche beschränkt. Vielmehr, meint Akerele, ist „Sunday Best zu einer Lebenseinstellung geworden.“
Yelena Grelet ist eine in London ansässige selbstständige Journalistin