Die Autorin Lillian Fishman gibt eine Leseprobe ihres Debütromans über die Erforschung sexueller Sehnsüchte

Lillian Fishmans Roman Acts Of Service ist eine provokative Erkundung von Sex und Sexualität, die als „kühn und unbeirrbar sexy“ (Vogue) und „radikal, gewagt und mutig“ (Sheila Heti) beschrieben wird, eine Geschichte, die „dich nicht erst küsst, sondern gleich zur Sache kommt“ (Raven Leilani). Im Gespräch mit Service95 stimmte Fisherman zwar zu, dass der Roman hauptsächlich „von einer Frau handelt, die sich auf eine geheime Dreier-Affäre einlässt“. Doch im Grunde, so erklärte sie, gehe es in dem Buch vor allem um „die Natur des Begehrens und der Sexualität in der heutigen Zeit. Es geht um den Versuch, zu verstehen, warum wir wollen, was wir wollen; das, was wir wollen, mit dem in Einklang zu bringen, was wir denken, dass wir wollen sollten; und wie diese Wünsche von der Welt um uns herum geprägt werden.“ Hier ein exklusiver Auszug aus dem ersten Kapitel ... 

Ich hatte Hunderte von Aktfotos in meinem Handy gespeichert, doch kein einziges davon je an irgendjemanden geschickt. Die Aufnahmen selbst waren wenig spektakulär: mein gesichtsloser Körper, der in Schlafzimmern und Badezimmern, in Spiegeln schwebte. Jedes Mal, wenn ich eine Aufnahme machte, verliebte ich mich für einen kurzen Augenblick in sie. Als ich nackt und über meinen kleinen Bildschirm gebeugt dastand, überkam mich der Drang, jemandem diese neue Version meines Körpers zu zeigen. Doch zugleich erschien mir jedes Foto privater und unmöglicher als das vorherige.

Man konnte in ihnen etwas sehen, das über das Verlangen hinausging. Etwas, das härter und demütigender war. Während ich mir die Zähne putzte oder aus der Dusche stieg, sah ich meinen eigenen Körper und mich überkam ein Gefühl von Druck und Unnützsein. Mein Körper schrie förmlich danach, endlich dafür eingesetzt zu werden, wofür er geschaffen worden war. Ich war dazu bestimmt, Sex zu haben – womöglich am besten gleich mit einer möglichst großen Anzahl von Menschen. Oder es war sogar noch wilder: So, dass ich nicht zum Ficken, sondern zum Geficktwerden bestimmt war. Der Sinn meines Lebens im Allgemeinen blieb rätselhaft, aber ich hatte mich mit dem Gedanken angefreundet, dass mein körperlicher Zweck sehr einfach war.

Ich hatte zu viel Angst vor der Welt, um mich da draußen einfach ficken zu lassen. Zu sehr wurde ich geplagt von Problemen, von Erinnerungen an beschissene Freundinnen und von der Angst vor Gewalt. Stattdessen machte ich Fotos. Auf den Fotos sah mein Körper atemberaubend aus, makellos, oft durchgestreckt, als wolle er dem Bild nach oben entkommen. Ich war wie eine alte Jungfer voller Ängste und Verdrängung, die ein junges Mädchen beaufsichtigen sollte, das die Ungerechtigkeit des Arrangements nicht begreifen konnte. Eines Nachts, als ich mich besonders schön und isoliert fühlte, beschloss ich, die Nacktbilder online zu stellen. Ich benutzte eine Website, die Benutzernamen anonymisiert und IP-Adressen verschleiert, und stellte drei Fotos ohne Begleittext ein.

Am nächsten Morgen war ich auf der Toilette meiner Freundin, als ich eine Nachricht von einer Olivia erhielt. Auf meinen Beitrag hatten sich mehr Antworten angesammelt, als ich überhaupt lesen konnte. Vielleicht hätte es mich nicht überraschen sollen, dass mich nichts von der Anzüglichkeit, der Wertschätzung, ja nicht einmal die punktuelle Brutalität dieser Kommentare befriedigte. Die Anonymität der Fotos wirkte feige, die Distanz der Betrachter so groß, dass ihre Äußerungen bedeutungslos wurden. Das Einzige, was mich begeisterte, war das wiederholte Aufrufen der Seite, um zu sehen, wie sich die Fotos immer wieder neu zusammensetzten. Nicht in einem privaten Ordner auf meinem Telefon, sondern in einem gemeinsamen weißen Raum, der von allen Ecken der Welt aus zugänglich war.

Ich machte mich eines Vergehens gegen meine Freundin Romi schuldig – das zeigte sich daran, dass ich die Seite aktualisierte, während ich mich in ihrem Badezimmer versteckte. 

Romis Reinigungsmittel aus dem Drogeriemarkt stand auf dem Waschbecken. Ihr sauberer Krankenhauskittel hing an der Rückwand der Tür wie eine schlechte Zeichnung eines Menschen. Allerdings, so dachte ich mir, als ich in mein Handy schaute, hatten die Fotos nichts mit ihr zu tun. Es war nur mein Körper, der darauf zu sehen war. Und mein Körper gehörte schließlich mir und nicht ihr.

Acts Of Service von Lillian Fishman ist bei Europa Editions UK erschienen.

Lillian Fishman erhielt ihren Master of Fine Arts an der New York University, wo sie ein Jill Davis Fellow war. Acts Of Service ist ihr erster Roman