Daria Kaleniuk: Die ukrainische Aktivistin, die für die Souveränität ihres Landes kämpft 

Anfang März reiste der britische Premierminister Boris Johnson nach Polen, um sich mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu treffen. Er wollte seine Unterstützung bekunden, da sich das Land durch den Krieg in der Ukraine immer mehr humanitären Dringlichkeiten gegenübersah. Doch all seine Hoffnungen, in seiner Ansprache als wahrer Staatsmann herüberzukommen, wurden im Keim erstickt. Zu verdanken hatte er dies Daria Kaleniuk, einer ukrainischen Aktivistin, die im Publikum saß. 

„Während seiner Rede erhielt ich Textnachrichten von einer meiner Bekannten in der Nähe von Kiew, die versuchte, sich mit ihren beiden Kindern in Sicherheit zu bringen, während Bomben fielen“, sagt Kaleniuk. „Und da stand nun Boris Johnson und erklärte, welch Inspiration das ukrainische Volk für die Welt wäre und wie er alles geben würde, um zu helfen... Ich war einfach so wütend und fühlte mich betrogen.“ 

Als es dann soweit war, dass Fragen gestellt werden durften, setzte sie zu einer spontanen Rede an, die rasend schnell weltweit bekannt wurde und die sozialen Medien zum Glühen brachte. Boris Johnson wurde dermaßen die Meinung gesagt, wie es nur wenige ranghohe Politiker*innen je zu hören bekommen werden. Sie forderte eindringlich mehr Waffen für die ukrainische Bevölkerung und mehr Sanktionen gegen russische Oligarchen. „Ich spürte einfach, dass es meine Pflicht war, ihn über die Gefühle der Ukrainer*innen aufzuklären“, sagt sie. 

Nachdem sie im Rahmen ihres Jurastudiums 2010/11 ein Jahr in den USA verbracht hatte, hätte sie dort bleiben und sich eine angenehme Karriere aufbauen können. Stattdessen kehrte sie in die Ukraine zurück und gründete 2013 mit ihrem Freund Vitaliy Shabunin das Anti-Corruption Action Center (AntAC). Sie widmeten sich der Aufdeckung der skrupellosen Aktivitäten, in die zu der Zeit ein Großteil der Regierung in Kiew involviert war. Nachdem Massenproteste den Präsidenten 2014 zur Flucht zwangen, wurden viele ihrer Ideen in das Gesetz integriert. Die Ukraine wurde nach und nach zu einem demokratischeren Staat. 

Dennoch – sich einigen der mächtigsten und wohlhabendsten Personen der Welt entgegenzustellen, war eine mehr als mutige Entscheidung. Shabunins Haus wurde 2020 niedergebrannt und AntAc wurde schon mehrmals verklagt. Doch all das ist nichts im Vergleich zu dem, womit sie gerade zu tun haben. Shabunin ist als Soldat Teil der territorialen Verteidigung in Kiew und Kaleniuk setzt sich in Warschau für mehr Waffen für die Ukraine und für eine von der Nato auferlegten Flugverbotszone ein, um die Abwehr von Vladimir Putins Angriff auf ihr Land zu unterstützen. 

„Ich bin keine Anti-Korruptions-Aktivistin mehr“, sagt Kaleniuk. „Ich bin dort, wo ich gerade sein muss, und tue, was ich kann.“ 

Oliver Bullough ist ein walisischer Journalist, der über Finanzkriminalität und die ehemalige Sowjetunion schreibt. Er ist der Autor von Butler To The World: How Britain Became The Servant Of Tycoons, Tax Dodgers, Kleptocrats And Criminals